Interview von Stephan Sigg mit Alice Gabathuler, die drei der da bux Bücher der Edition 2 lektoriert
Du steckst mitten im Lektorat der neuen Texte. Wie ist die momentane Befindlichkeit: genervt, beeindruckt oder erschöpft?
Alice Gabathuler: „Glücklich und motiviert, weil wir für 2017 wieder tolle Geschichten haben. Dankbar für die extrem gute Zusammenarbeit mit den AutorInnen und meinen beiden Mitverlegern. Zuversichtlich für unseren Verlag. Voller Optimismus, Schwung und Energie für die nächsten anfallenden Arbeiten.“
Worauf achtest du beim Lektorieren der da bux-Texte besonders?
„Ganz wichtig: Ich begegne den Texten mit sehr viel Respekt, weil ich weiss, wie viel Arbeit hinter ihnen steckt. Auch oder vielleicht gerade bei den da bux Geschichten, die ja einfach zu lesen sind, denn aus eigener Erfahrung weiss ich: einfach zu schreiben ist etwas vom Schwierigsten. Worauf ich achte: Logik, allfällige Plotlöcher, Schlüssigkeit und Stimmigkeit der Figuren und der Geschichte, der Zielgruppe angepasste Erzählsprache, Sprachrhythmus. Ganz wichtig ist es dabei, jeder Erzählsprache ihren Charakter zu lassen.“
Mit welchen Tricks, mit welcher Strategie entdeckst du die Schwachstellen eines Textes?
„Den lektorierten Text eine Weile ruhen/liegen lassen und dann noch einmal durchgehen. Der allerbeste Trick ist lautes Vorlesen des Textes, nachdem ich meine Anmerkungen gemacht habe. Da zeigt sich dann, was ich übersehen habe.“
Zwischen AutorInnen und LektorInnen kommt es nicht selten zu Konflikten: Wollen deine AutorInnen immer noch mit dir Kaffee trinken gehen, nachdem sie den von dir lektorierten Text zurückbekommen haben?
„Das hoffe ich sehr, aber da musst du die AutorInnen fragen. Ich finde, gute Textarbeit ist ein Miteinander. Sowohl AutorIn als auch Lektorin möchten das Beste für den Text. Meine Anmerkungen sind nie Befehle, sondern Fragen oder Vorschläge. Am Ende muss der Text für alle stimmen.“
Wer hat das letzte Wort – die Autorin oder die Lektorin?
„Beide gemeinsam. Manchmal geht eine Textstelle mehrmals hin und her, bis beide zufrieden sind. Ganz wichtig: Es sind die Texte der AutorInnen, von denen jeder und jede eine einzigartige Erzählsprache hat. Die muss unbedingt erhalten bleiben. Manchmal würde ich als Autorin einen anderen Ausdruck verwenden, aber der Ausdruck muss nicht zu mir, sondern in den vorliegenden Text passen. Mir ist der Dialog wichtig. Natürlich ist das zeitaufwendiger als einfach Anmerkungen in einen Text zu schreiben, aber mir gefällt diese intensive Art der Auseinandersetzung mit einem Text.
Inwiefern haben sich die da bux-Texte der Edition 2 durch dein Lektorat verändert? Kannst du uns ein Beispiel nennen.
„Einige Plotlöcher oder kleine Ungereimtheiten sind verschwunden. Das war vor allem bei Franco Supino sehr wichtig, der sich an eine Riesenherausforderung gemacht hat, indem er ein Land erschaffen hat, in der alles stimmig sein musste, etwas vom Schwierigsten, das man als Autor tun kann. Ich habe grossen Respekt davor – selber hätte ich das nämlich nicht gekonnt. Die Texte sind noch kondensierter und damit präziser geworden, weil Lektoren sie mit anderen Augen sehen und auch weniger Hemmungen beim Kürzen haben. Das gibt ihnen noch mehr Intensität – was bei Tom Zais Geschichte zu einem wahren Höllenritt geführt hat (das es vorher schon, jetzt noch mehr).
Zu Andrea Gersters Geschichte möchte ich gerne etwas sagen, dass nicht direkt mit deiner Frage zu tun hat, das ich jedoch unbedingt loswerden möchte: Ich habe selten beim Vorlesen eines Textes so sehr aus tiefstem Herzen gelacht. Der Humor in Andreas Geschichte ist einfach wunderbar, ihre Figuren sind so wahnsinnig lebensecht und liebenswürdig.
Ist das Lektorieren auch eine Schreibschule für dich als Autorin?
„In gewisser Weise ja. Jede intensive Auseinandersetzung mit einem Text ist ein Lernen über das Schreiben. Ich kann daran wachsen und das gefällt mir.“
Wie hat sich dein Blick auf deine Lektorinnen verändert? Was ist dir bewusst geworden?
„Ich empfand mich als extrem viel strenger als es meine Verlagslektorinnen je mit mir waren. So sehr, dass ich mich gefragt habe, ob ich nicht zu hart und zu kritisch lektoriere. Andererseits ist es ja genau das, was ich mir wünschen würde: eine intensive Auseinandersetzung mit dem Text.
Zum Glück habe ich seit Kurzem einen neuen Lektor. Es ist Verlagskollege Tom Zai. Er hat meine drei Geschichten für das Buch „Voll Risiko“ genauso hart, erbarmungslos und im Dienst des Textes lektoriert wie ich das tue. Es ist, als lege man seinen Text auf einen Seziertisch, nehme ihn auseinander, gucke sich alles gründlich an, um dann aus etwas Gutem etwas sehr Gutes zu machen. Und das in gegenseitigem Respekt und vor allem in einem intensiven Austausch. Wenn du abschliessend die Kaffetrinkfrage in Bezug auf Tom Zai stellen würdest: Ja, ich ginge jederzeit und immer wieder gerne mit ihm einen Kaffee trinken.“
Die Bücher der da bux Edition 2