Als Lehrperson mit Jugendbuch «Zwischen Leben» arbeiten

Studierende der PH Muttenz entwickelten inspiriert von «Zwischen Leben» während eines Kreativprozesses dialogische Szenen. Monica Cantieni (Autorin von “Zwischen Leben”) stellt das besondere Projekt vor.

Zwei Wale, die eben in einer Form des Jenseits angekommen sind und zwei Jungs aus unterschiedlichen sozialen Schichten, wo nach einem Streit im Hier und Jetzt viel Gesellschaftskritik endlich auf den Tisch kommt, ein Leben und eine Freundschaft auf Messers Schneide stehen, nichts hoffnungslos ist und längst nicht alles gesagt ist: Das ist der Plot des Jugendbuches «Zwischen Leben» der Autorin Monica Cantieni. 

Migrationsgeschichten

Studierende der PH Muttenz entwickelten innerhalb der Professur «Deutsch Didaktik und ihre Disziplinen» (Beatrice Bürki) während eines reflektierten Kreativprozesses dialogische Szenen, die nicht Teil des Jugendbuches «Zwischen Leben» sind. Denn das Buch ist so gestaltet, dass es diverse thematische Anknüpfungspunkte hat, die von Lehrpersonen wahlweise bespielt werden können, und es richtet sich an ein Publikum, das nicht ein C2-Niveau in Deutsch benötigt. 

Das Ziel war es, dass die die Studierenden das zentrale Thema einer Migrationsgeschichte, bzw. die ihrer Folgen in der Schweiz experimentell für ihr jugendliches Zielpublikum weiterführen. Sie kreierten dazu Sidelines, ein anderes Ende oder eine neue Ausgangslage und erlebten einen literarischen Kreationsprozess von innen.

Schlüsselszenen als Trigger

Um die Studierenden in den Prozess einzuführen braucht es einen Trigger, einen Eisbrecher. Die Studierenden hatten das Buch gelesen. Nach ihren eigenen Angaben im Bus, im Zug, im Lieblingssessel, am Küchentisch, in der Badewanne. Sie waren bestens vorbereitet.

Als Trigger kann eine Schlüsselszene dienen oder im Falle der Muttenzer Studierenden: Fragen oder Aussagen zum Text; Fragen oder Aussagen, die sie vor dem ersten Treffen mit mir formulieren konnten. Die durften auch provozierend sein. Dinge wie «Sie mögen Liv lieber als Kat.» Oder: «Weshalb haben Sie diese Perspektive gewählt und nicht eine andere?» «Weshalb sind da so viele harte Schnitte im Text? Was bezwecken Sie damit?» «Wie sind Sie nur auf diesen Plot gekommen? Ich konnte mir anfangs nicht vorstellen, dass das funktionieren kann.» Die Bemerkungen und Fragen lagen als schmale Papierstreifen auf dem Tisch, ganz analog, und ich konnte mir welche herausnehmen.

Eigenen Erfahrungen nachgehen

Mit den Fragen haben die Studierenden das Gespräch mit mir aufgenommen. Und zwar in einem geschützten Rahmen. Sie durften sich dabei auch auf die Äste hinauslassen – mit Kritik, allenfalls mit Unverständnis gegenüber dem Text, sie konnten auf diese Weise aber auch etwas ganz Spezifisches in Erfahrung bringen, Fragen zu meinem Beruf formulieren oder welche zu Inspirationsquellen, Recherche und konkretem Arbeiten am Text. Sie konnten so ihrer eigenen Erfahrung mit dem Text nachgehen. Denn darum geht’s: um einen Dialog, darum, um in einer entspannten Atmosphäre das Gespräch über den Text und Arbeitsweisen an einem Text zu beginnen.

Das Eis ist gebrochen

Spätestens sind wir mitten im Gespräch, weil Antworten Nachfragen evozieren, weil mich einige Fragen auch zum Lachen brachten oder es waren meine Antworten, die Schmunzeln und Kichern auslösten. Nach einer Einführung der Strukturelemente in «Zwischen Leben» für die Studierenden, die auch die Aufgabe hatten, den Prozess didaktisch zu reflektieren, begannen wir, in den Text einzutauchen und nach losen Enden darin zu suchen oder besser noch: nach Wünschen an den Text. Erst einmal schauten sich die Studierenden ratlos an. «Wünsche an den Text… ?» «Ja, Wünsche an den Text. Gehen wir davon aus, dass Ihr nicht wunschlos glücklich seid.» Momente der Stille in Klassenräumen – und mögen sie noch so kurz sein – dehnen sich ähnlich jenen in einem Fernsehstudio in die Länge, wenn niemand etwas sagt, die Kamera aber läuft. Das ist nicht immer einfach auszuhalten, gehört aber zum Rüstzeug, denn oft sind es die wertvollsten Momente, weil das das Entscheidende passiert.

So auch in Muttenz. Eine Studierende sagte, sie hätte eigentlich gerne mehr von Sadri (eine der beiden männlichen Hauptfiguren aus «Zwischen Leben») und seinen Lebensumständen erfahren. «Du bist da «hungrig» geblieben? Okay. – Er hat eine tragende Rolle, und er führt die Schlüsselszene an.» «Ja, das stimmt, aber vielleicht möchte ich gerade deshalb mehr von ihm wissen. Er hat mich sehr neugierig gemacht, und ich kenne seine Welt.» 

Neugier, erarbeitete Kompetenz oder Erfahrung sind die besten Voraussetzungen, um eine Figur zu «adoptieren» und die Geschichte weiterzutreiben. Vielleicht in eine ganz andere Richtung als die, die ich weiter eingeschlagen hätte.

Ich habe erstaunliche Geschichten zu lesen bekommen, und ich freue mich auf weitere. 

Monica Cantieni

Monica Cantieni

Die Autorin begleitet diese und ähnliche Prozesse auch an Schulen über alle Stufen hinweg und ist vor Ort präsent. Ob als Lesegast und Interviewpartnerin, als Diskussionsleiterin, oder als Begleitung für eine Projektwoche/einen Input-Tag. Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Buch und Leseprobe

Zwischen Leben